Schulischer Einsatz für deutsches Erbe und deutsche Sprache

Verständigungspolitisches Seminar bei Karpatendeutschen in der Slowakei

Das Fortbestehen von Tradition und Sprache bei den deutschen Minderheiten in den östlichen Ländern vor Ort zu erkunden und zu unterstützen ist seit Jahrzehnten die wichtigste Aufgabe des Deutsch-Europäischen- Bildungswerks Hessen e.V. mit Sitz in Wiesbaden, die vom Bundesministerium des Inneren dankenswerterweise auch finanziell gefördert wird. Und so führte kürzlich unter Leitung des stellvertretenden Vorsitzende dieses Vereins und gleichzeitig Landesvorsitzenden des Bundes der Vertriebenen in Hessen, Siegbert Ortmann (Lauterbach) eine Seminarreise aus der Reihe „Begegnung und Verständigung“ in die Slowakei mit der Hauptstadt Bratislava und weiter ins sog. Hauerland, einem der drei Hauptsiedlungsgebiete der Karpatendeutschen und mitten im Landesinneren gelegen. Die 37-köpfige Teilnehmergruppe stammte aus allen Teilen der Bundesrepublik und erlebte bei ihrem einwöchigen Aufenthalt in der Slowakei spannende und teilweise rührende Begegnungen hautnah von Mensch zu Mensch im Dienste der Völkerverständigung im gemeinsamen Europa.

Die gelungene Einstimmung dazu erfolgte zu Beginn bei einem Besuch im Museum der Kultur der Karpatendeutschen in Pressburg und einem sehr informativen Vortrag vom dortigen Museumsleiter Dr. Ondrej Pöss, dem Vorsitzenden des Karpatendeutschen Vereins. Er referierte über die aktuelle Situation seiner deutschen Volksgruppe und deren vielfältiges Leben in der Slowakei. Diese werde als autochthone nationale Minderheit staatlich anerkannt und derzeit zahlenmäßig offiziell auf insgesamt rund 5000 Personen geschätzt. Bei einem Empfang in der Residenz der Deutschen Botschaft in Preßburg stellten sich deren Erster Sekretär Marian Gordzielik, der Leiter des Goethe- Instituts Slowakei Dr. Friedrich Dahkhaus und der Pressesprecher der Deutsch-Slowakischen Industrie- und Handelskammer, Markus Halt, den zahlreichen Fragen der Seminarteilnehmer. Zusammenfassend ergab sich dabei im Vergleich zu den übrigen drei Staaten ein durchaus positiveres Bild dieses sog. Visegrád-Staates in der Europäischen Union.

Die weiteren Programmpunkte dieser sehr abwechslungsreichen Reise wurden vom Quartier in Kremnitz im Hauerland aus durchgeführt. Dazu gehöhrten zunächst eine Führung durch das Bergbaumuseum in Krickerau und ein sehr herzliches Treffen beim Karpatendeutschen Verein im Haus der Begegnung dieser Stadt. Allgemein wurde dabei als Bereicherung empfunden, dass unter den Seminarteilnehmern auch der 80.- jährige Eduard Oswald vom Bundesvorstand der Karpatendeutschen Landsmannschaft in der Bundesrepublik war, der sich als g e b ü r t i g e r Karpatendeutscher immer wieder mit sachkundigen und persönlichen Kenntnissen einbringen konnte. Am Tag der Deutschen Einheit, also dem 3. Oktober, wurde die Deutschen Bibliothek in Banska besucht. Dort ließen es sich die Seminarteilnehmer nicht nehmen, eingangs der großen Empfangshalle ganz spontan die deutsche Nationalhymne zu singen. Im weiteren Tagesverlauf sah das Programm einen Vortrag der Bibliotheksleiterin Katarin Smelkova zum Thema „Gegenwart und Zukunft der deutschen Sprache in der Slowakei“ und anschließend eine äußerst lebhafte und sehr interessante Diskussionsrunde mit dem Journalisten und Redakteur von Radio Slovakia International, Kay Zeisberg, vor. Eine Begegnung mit der Jugend- und Studentengruppe „Freunde der deutschen Sprache“ unter Mitwirkung der Pädagogin Susanne Depuydt von der bundesdeutschen Zentrale für Auslandsschulwesen und einer von Reiseteilnehmer Dr. Klaus-Peter Lorenz (Baunatal) moderierten und gemeinsam mit den Studenten geführten Aussprache über die Bedeutung der Kooperation von Schulen und Universitäten im europäischen Rahmen erbrachte durchaus interessante Erkenntnisse über die heutigen junge slowakische Generation.

Ein besonderer Höhepunkt der verständigungspolitischen Seminarreise in die Slowakei war tags drauf zweifellos der Besuch in der bilingualen Schule mit Kindergarten in Deutschproben. Die dort von der Schulleiterin Mag. Jana Gebrlinova vorgetragenen ausführlichen Projektbeschreibungen über ihre zweisprachige Grundschule mit dem ausdrücklich erklärten Ziel, das deutsche Erbe und die deutsche Sprache in dieser slowakischen Region zu erhalten, werden zusammen mit in deutscher Sprache von den Schulkindern begeistert dargebotenen Gesanges- und Gedichtsdarbietungen sicherlich als beeindruckendes kulturelles Erlebnis bei allen Seminarteilnehmern in schöner Erinnerung bleiben. Im Haus der Begegnung in Deutschproben mit vielen Exponaten aus früheren Zeiten der deutschen Volksgruppe kamen dann die Vertreter der Karpatendeutschen Jugend mit ihrem Vorsitzenden Patrik Lompart zu Wort und berichteten über „Deutsche Jugendorganisationen in der Slowakei und deren Erhalt und Weiterführung karpatendeutscher Traditionen“. Und schließlich suchte die bundesdeutsche Reisegruppe in Begleitung der Vorsitzenden der Region Hauerland des Karpatendeutschen Vereins, Hilda Steinhüblova, die übrigens während des gesamten Seminars als ausgezeichnete Dolmetscherin fungierte, das erst kürzlich neu gestaltete Mahnmal für die Opfer des Internierungs- und Arbeitslagers Novaky auf. Seminarleiter Ortmann legte an dieser würdigen Gedenkstätte sodann ein Blumengebinde mit Schleife nieder und gemeinsam betete man ein „Vater unser“ im Gedenken an die zahlreichen Opfer dieses früheren Todeslagers. Bevor es zurück zum Quartier ging, wurde trotz vorgerückter Stunde und Dunkelheit die historische Artikular Holzkirche in Hronsek besichtigt. Nach dem elektronisch dargebotenen Informationsvortrag über dieses Gotteshaus wurden noch gemeinsam Kirchenlieder angestimmt.

Den krönenden Abschluss der Seminarreise bildete schließlich ein sehr herzlicher Empfang mit musikalischer Umrahmung und Eintrag ins Goldene Buch im Rathaus von Kremnitz. Bürgermeister Alexander Ferencik gab sich dabei als äußerst freundlicher Gastgeber und stellte seine Stadt ausführlich in Vergangenheit und Gegenwart vor. Vor der Rückreise nach Bratislava fand weiter eine umfangreiche Besichtigung des historischen und heute noch arbeitenden Münzhauses Kremnica unter Führung des Vorsitzenden der Ortsgruppe des Karpatendeutschen Vereins in Kuneschau, Viliam Neuschl, statt. Und den endgültigen Abschluss bildete das Aufsuchen des geographischen Mittelpunktes Europas in Johannesberg mit kurzer Stippvisite in der nahe gelegenen Franziskanerkapelle. Zuvor hatte Reiseteilnehmer Nikolaus Holschier (Geisenheim) noch einen kleinen Umtrunk mit Wein, Sekt und Gebäck aus dem Rheingau bei strahlend blauen Himmel im Freien vorbereitet und so feierte die gesamte Reisegruppe am Ende gebührend den Dank für eine vom Bund der Vertriebenen in Hessen sorgfältig ausgewählten und vom mitreisenden Kulturreferenten Hubert Leja (Wiesbaden) perfekt organisierten, verständigungspolitischen Seminarreise in die Slowakei, einem wunderschönen und reizvollen europäischen Land.

Text: Siegbert Ortmann
Bilder: Michael Gediga