Freude des Wiedersehens mit der alten Heimat war beeindruckend

DEB-Seminarreise aus Hessen ins ehemalige Ostpreußen nach Königsberg

Wiesbaden. Ein interessantes und abwechslungsreiches Programm bot kürzlich die einwöchige Studienreise des Deutsch-Europäischen Bildungswerk in Hessen e.V. aus der Reihe „Begegnung und Verständigung“ in die Region Königsberg/Kaliningrad. Gefördert wurde sie vom Bundesministerium des Innern in Berlin. Die 40 Teilnehmer aus ganz Hessen erreichten den idyllisch an der Ostsee gelegenen Tagungsort über eine Flugreise von Frankfurt/M. bis Danzig und Weiterfahrt mit Bus nach Rauschen/Swetlogorsk in der russischen Föderation.

Das Thema der Veranstaltung war der Deutsch-russischen Zusammenarbeit als Zeichen der Erneuerung und Stabilität in Europa gewidmet und wurde von hochkarätigen Referenten aus der lokalen Wirtschaft, der Regional- und Kommunalpolitik, verschiedenen Bil- dungs einrichtungen und gesellschaft- lichen Organisationen, sowie Kirchenvertretern und Repräsentanten der Russlanddeutschen vertiefend behandelt und lebhaft diskutiert. Daneben gab es Besichtigungen der neuen Schule sowie des restaurationsbedürftigen Schlosses in Labiau und Führungen von Museen in Waldwinkel/Iljitschewo und Tapiau/Gwardejsk und schließlich eine Stadtrundfahrt in Königsberg mit Besuch der neuen Christ-Erlöser-Kathedrale, des restaurierten Domes und der Evangelisch-Lutherischen Kirchet. Natürlich fehlte nicht die Besichtigung eines Kombinats zur Gewinnung von Bernstein aus einer riesigen Tagebau-Grube in Palmnicken/Jantarnyj. Die bei diesen Gelegenheiten gewonnenen Eindrücke und Erlebnisse werden vor allem den Teilnehmern, die aus der ehemaligen deutschen Provinz Ostpreußen stammen, in Erinnerung bleiben. Und weil zwischen den Landkreisen Bergstraße und Labiau/ Polessk seit Jahrzehnten enge partnerschaftliche Beziehungen bestehen und ein Großteil der Gruppe aus Bensheim stammte, gestaltete sich ein Besuch der Agraruniversität des russischen Partnerschaftskreises mit Empfang durch Landrat Nikolay Muchin und örtlichen Kommunalpolitikern als einer der Höhepunkte der zwischen- menschlichen Begegnungen auf dieser Reise.

Bei der Auswahl der Tagungsreferenten zeigte der Vorsitzende des Deutsch- Europäischen Bildungswerks in Hessen e.V., Ehrenbürgermeister Georg Stolle, besonderes Geschick. Beispielsweise mit dem Historiker Prof. Dr. Wladimir Gilmanov von der Immanuel-Kant- Universität in Kaliningrad. Unter dem Thema „Wir waren nicht immer Gegner, wir dürfen keine Gegner sein“ gab er einen eindrucksvollen Einblick in die geschichtlich gewachsene „russische Seele“, vor allem im Zusammenhang mit der NATO-Osterweiterung und bat insoweit um Verständnis in der Bundesrepublik Deutschland. Letztendlich warb er eindringlich zu einer Verringerung des in den deutschen Medien verbreiteten Feindbildes über Russland und seine derzeitigen Repräsentanten.

Über die gegenseitigen Beziehungen zwischen der EU und Russland und deren Auswirkungen auf die Wirtschaftslage in der Kaliningrader Region referierte der unabhängige Investmentexperte Oleg Skworzow. Seiner Meinung nach hat die Region Kaliningrad durchaus ein beachtliches Entwicklungspotential für die Zukunft, es müsse nur endlich intensiver daran gearbeitet werden. So beispielsweise auch beim Hafen, wo schleppende Abfertigungen, unter anderem wegen schlechter Kanalanbindung, bislang dafür verantwortlich seien, dass dieser früher einmal so bedeutende Wirtschaftsumschlageplatz heute praktisch als solches nicht mehr existiere. Allerdings gebe es in Bezug auf die im Jahre 2018 stattfindende Fußballweltmeisterschaft, bei der Kaliningrad einer der russischen Austragungsorte sei, doch zumindest beim Straßen- und Sportstättenausbau erkennbar eine gewisse Aufbruchsstimmung im wirtschaftlichen Bereich.

Die leidvolle Vergangenheit der Region um Kaliningrad wurde den Seminarteilnehmern beim Besuch dres gepflegten Friedhofs Germau deutlich vor Augen geführt. Dort fanden 4431 gefallene deutsche Soldaten und eine große Zahl unbekannter Zivilopfer aus dem gesamten Bereich des früheren Samlandes eine endgültige Ruhestätte. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich eine Gedenkanlage für gefallene russische Soldaten des 2. Weltkrieges. Im Zusammenhang mit der deutschen Geschichte dieser Region stand ein interessantes Referat des Leiters des Museums in Taplau/ Gwardejski, dem Historiker Albert Adylov zum Thema „Probleme der Bewahrung des kulturell-historischen Erbes aus der Vorkriegszeit“.

Ganz unter Freunden fühlten sich die deutschen Besucher als Gäste im Deutsch-Russischem Haus von Kaliningrad. Sie wurden dort von Direktor Andrej Portnjagin herzlich begrüßt. Diese seit 1995 bestehende und von der deutschen Bundesregierung finanzierte Einrichtung versteht sich vor allem als Dienstleister in der Kultur- und Jugendarbeit für die deutschstämmige Bevölkerung, die heute fast ausschließlich aus Russlanddeutschen besteht. Der hessische Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Siegbert Ortmann, bedankte sich bei Direktor Portnjagin für den Ausbaus der Kulturbeziehungen und sprach die Erwartung aus, dass die deutsche Unterstützung auch in Zukunft nicht versiegen möge.

Alle Ausflüge mit Besichtigungen, Führungen, Empfängen sowie eines eigens für die Gruppe gegebenen Orgelkonzertes im „Gotteshaus der Musik“ in Rauschen, begleitete als Dolmetscherin und exzellente Reiseführerin die in Deutschland lebende Historikerin Larissa Prudnikova.

Text: Siegbert Ortmann
Bilder: Horst Gömpel, Andreas Agne/pixelio.de

Gruppen-Foto in der Kaliningrader Filiale der St. Petersburger Agrar-Universität in Polessk/Labiau
Gruppen-Foto in der Kaliningrader Filiale der St. Petersburger Agrar-Universität in Polessk/Labiau (von links nach rechts): BdV-Landesvorsitzender Siegbert Ormann, Universitätsrektor Gregorij Bakunovisch, Aleksey Mosejtschuk, Kreistagsvorsitzen- der in Polessk, Brigitte Sattler, stellvertretende BdV-Landesvorsitzende, Nikolay Muchin, Landrat des Kreises Polessk, sowie DEB-Vorsitzender Georg Stolle, Bgm. a.D. und Seminarleiter.
Die Christ-Erlöser-Kathedrale in Königsberg.
Die Christ-Erlöser-Kathedrale in Königsberg.